In der Schweiz beruht die Vorsorge für Alter, Invalidität und Tod auf drei Säulen. Ziel der zweiten Säule (BVG) ist es, zusammen mit der ersten Säule (AHV/IV) eine gewohnte Lebenshaltung im Alter sicherzustellen. Angestrebt wird dabei
ein Renteneinkommen von rund 60 Prozent des letzten Lohnes. Den gesetzlichen Rahmen für die zweite Säule bildet das seit 1985 geltende Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG), worin
Mindestleistungen definiert sind. Über diese Mindestleistungen hinaus bieten die Pensionskassen die meisten weitergehenden Leistungen an.
Aufgrund der gestiegenen Lebenserwartungen ist die Finanzierung der Mindestleistungen schwierig geworden. Dies hat zu einer nicht vorgesehenen Umverteilung von Jung zu Alt bei den Pensionskassen geführt. Um das zu korrigieren,
sind Reformen für eine gesunde und nachhaltig finanzierte berufliche Vorsorge unausweichlich. Den Bereich der weitergehenden Leistungen können die Pensionskassen selbst
regulieren, was in aller Regel auch gemacht wird.
Für die Mindestleistungen ist jedoch eine Anpassung der Vorgaben und damit eine Gesetzesänderung notwendig. Allerdings hat sich die Politik lange schwergetan, diese Sachlage anzuerkennen und sachgerechte Lösungen zu finden.
Zwischendurch haben sich National- und Ständerat auf einen Reformvorschlag geeinigt. Nachdem das Parlament den überfälligen und politisch breit abgestützten Reformschritt gemacht hat, darf sich dieser Herbst auch die Stimmbevölkerung zur Vorlage aussäen.
Die Ziele im Überblick
1. Finanzierung der beruflichen Mindestvorsorge sichern
Mit dem Umwandlungssatz wird das individuelle Sparkapital
zum Zeitpunkt der Pensionierung in eine Rente umgewandelt (Sparkapital x Umwandlungssatz = Altersrente). Aufgrund der steigenden Lebenserwartung ist der heutige gesetzliche Satz von 6,80 % deutlich zu hoch. Er soll daher auf 6,00 % gesenkt werden.
Durch die Anpassung des BVG-Umwandlungssatzes wird die Finanzierung der gesetzlichen Mindestvorsorge gesichert. Ohne diesen Schritt kommt es weiterhin zu einer systemfremden und ungewollten Umverteilung von Jung zu Alt. Um tiefere Renten zu vermeiden, müssen im Gegenzug die Sparbeiträge angepasst werden (siehe Ziel 2) – bestehende Renten bleiben in jedem Fall unverändert.
2. Mehr individuelles Sparkapital bilden
Um trotz tieferem BVG-Umwandlungssatz im Alter
eine ausreichend hohe Rente zu haben, sollen arbeitsnehmende
und Arbeitgeber während des gesamten Erwerbslebens mehr Kapital sparen. Dazu werden die BVG-Sparbeiträge erhöht und vereinfacht: Anstelle der bisherigen vierstufigen Altersgutschriften gibt es neu nur noch zwei Stufen: In den Altersjahren 25 - 44 spart man 9 % des versicherten Lohns, in den Altersjahren 45 - 65 sind es 14 %.
Durch die Erhöhung der Sparbeiträge wird langfristig mehr Kapital angespart. So können, trotz tieferem Umwandlungssatz, Renteneinbussen verhindert werden.
Zudem steht dieses Kapital auch für den Kauf von Wohneigentum zur Verfügung und wird beim Stellenwechsel
auf die nächste Pensionskasse übertragen. Im Gegenzug sinkt für die Versicherten der monatliche Nettolohn, da höhere Beiträge in die Pensionskasse eingezahlt werden.
3. Modernisierung der Mindestvorsorge
In der gesetzlichen Mindestvorsorge sind heute Teilzeitangestellte und Personen mit tiefen Löhnen ungenügend abgesichert. Dies soll durch zwei Massnahmen
verbessert werden: Erstens soll die Eintrittsschwelle auf CHF 19'845 gesenkt werden. Diese legt fest, ab welchemEinkommen jemand obligatorisch in die Pensionskasse versichert ist. Zweitens soll der Koordinationsabzug neu 20 % des AHV-Lohns entsprechen. Damit ist derjenige Teil des Lohnes gemeint, der nicht in der Pensionskasse versichert wird, da er schon über die AHV gedeckt wird. Aktuell beträgt der gesetzlich festgelegte Koordinationsabzug, unabhängig vom Beschäftigungsgrad, CHF 25'725.
Durch diese Maßnahmen werden Teilzeitangestellte, Personen mit tiefem Einkommen oder auch Arbeitnehmende
mit mehreren Arbeitgebern deutlich besser abgesichert. Entsprechend steigen sowohl ihre Altersrente als auch die Leistungen bei Tod und Invalidität. Wie schon bei der Erhöhung der Sparbeiträge sinkt im Gegenzug des monatlichen Nettolohns, da die Versicherten zusammen mit dem Arbeitgeber mehr Beiträge leisten.
4. Ausgleichsmassnahmen für die Übergangsgeneration
Sowohl die höheren Sparbeiträge (Ziel 2) als auch die Modernisierung der Mindestvorsorge (Ziel 3) wirken erst im Laufe der Jahre, da es Zeit braucht, um zusätzliches Kapital anzusparen. Rund die Hälfte der Versicherten, die in den ersten 15 Jahren nach dem Inkrafttreten der Rentenreform gehen (Übergangsgeneration), sollen daher in den Genuss von Ausgleichsmaßnahmen kommen.
Damit profitieren auch Versicherte von der Reform, denen die Zeit fehlt, um ausreichend Kapital anzusparen. Die konkrete Umsetzung dieser Maßnahmen ist für die Pensionskassen mit administrativem Aufwand verbunden und muss von allen Versicherten bereitgestellt werden, unabhängig davon, ob sie der Übergangsgeneration zuhören oder nicht.
Quelle: ASIP, 05.2024
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